Die GZ – Goldschmiedezeitung interviewte in der Ausgabe 08/22 die Geschäftsführer der Bundesverbände zum Streitthema Diamantsynthesen. Das interview führte GZ Chefredakteur Axel Henselder mit Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Handelsverband Juwelier (BVJ), Dr. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Schmuck. Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien e.V. (BVSU) und Jörg Lindemann, Geschäftsführer des Bundesverband der Edelstein und Diamantindustrie e.V.
Synthetische Diamanten drängen nun auch auf den deutschen Markt. Auf der Inhorgenta habe ich zwei Aussteller registriert. In den USA ist das Thema schon viel weiter, die Synthesenverkäufe legen zweistellig zu. Lightbox von De Beers ist online bereits in Deutschland erhältlich. Wo sehen Sie Probleme für etablierte Diamantenanbietern, wenn Synthesenhersteller weiter vordringen?
Lindemann: Ich sehe überhaupt keine Probleme für etablierte Diamantenhändler, es sei denn, Sie sehen Wettbewerb als Problem an. Ich denke, dass beide Produkte ihren berechtigten Platz im Markt haben und um auch im Sinne meiner beiden Kollegen zu sprechen: es liegt uns fern, die Hersteller bzw. Händler von synthetischen Diamanten in irgendeiner Weise zu stigmatisieren. Im Gegenteil: sie sind wichtige Mitglieder unserer Branche. Synthetische Diamanten sind hervorragende Produkte und insbesondere für technische Zwecke ein Segen für die Menschheit. Gegen die Verwendung im Schmuckbereich gibt es keine Einwände, vorausgesetzt, dass die geltenden Regeln beachtet werden und der Verbraucher genau weiß und daher auch unmissverständlich darüber informiert wird, was er kauft: einen Diamanten, bei dem es sich um ein seltenes Naturprodukt handelt, oder eine Synthese, die von Menschhand künstlich und unter Zuhilfenahme technischer Vorrichtungen industriell geschaffen wurde und beliebig verfügbar ist.
Im Schmuck- und Edelsteinbereich gibt es eine klare Erwartungshaltung auf Verbraucherseite, wenn es um die Begriffe „echt“ und „natürlich“ geht. Auch die Gemmologie verwendet seit jeher klare Begrifflichkeiten, um die Verbraucher eindeutig zu informieren und die nationalen gemmologischen Gesellschaften arbeiten an internationalen Regelwerken, wie z.B. dem weltweit anerkannten Regelwerk der CiBJO mit.
Würden Sie einen solchen Anbieter grundsätzlich auch als Verbandsmitglied akzeptieren?
Grohmann: Eindeutig ja! Wir stehen auch bereits in Kontakt mit dem einen oder anderen Anbieter. Um es nochmals klar und deutlich zu sagen. Synthetische Diamanten und deren Produzenten und Händler sind ein Teil unserer Branche und deshalb haben sie auch gerne einen Platz in unserem Industrieverband. Sollten Sie bei uns Mitglied sein, erwarten wir und unsere Mitglieder von ihnen dasselbe Verhalten wie von allen anderen auch. Jedes Mitgliedsunternehmen hält sich an die Grundregeln, die unsere Branche sich weltweit über ISO-Normen und die blauen Bücher des Weltverbands CIBJO gibt. Dazu gehört, dass man bei Marketing und Vertrieb von Synthesen unlauteren Wettbewerb durch Greenwashing, Nutzung von Fantasienamen oder ähnliches unterlässt.
Lindemann: Ich kann meinem Kollegen nur vollumfänglich mit dem Hinweise zustimmen, dass wir im Verband bereits langjährige Mitglieder haben, die mit synthetischen Diamanten handeln bzw. diese herstellen und/oder verarbeiten. Dies belegt sicherlich eindrucksvoll, dass sie „Teil des Ganzen“ sind und es keinerlei Berührungsängste gibt.
Wo würden Sie Synthesen vor allem verorten? Mehr im Fashionbereich oder auch im Echtschmucksegment?
Dünkelmann: Der Synthetische Diamant wird seinen Platz im Markt noch finden. Der Preis wird sich vermutlich aufgrund stetig sinkender Herstellungskosten infolge des technischen Fortschritts weiter nach unten bewegen. Die Grenzen werden sicherlich fließend sein, aber das mittlere Segment erscheint plausibel. Der Begriff „echt“ steht aber eindeutig für Diamanten und Edelsteine natürlichen Ursprungs.
Der Unterschied zwischen künstlichen und natürlichen Diamanten sei derselbe wie der zwischen einem herkömmlichen Baby und einem Baby durch künstliche Befruchtung. Alles andere sei identisch. Das menschliche Genie reproduziert hier die Magie der Natur, ohne der Natur dabei zu schaden – so behaupten es die einen. Dia anderen sagen, es sei dann halt ein x-beliebiges Industrieprodukt ohne tiefere Emotion, vergleichbar mit einem iPhone, welches man ja auch nicht seiner Liebsten zur Verlobung schenkt. Was meinen Sie?
Grohmann: Der Vergleich von Diamanten – ob natürlich oder synthetisch – mit einem menschlichen Baby führt in eine Sackgasse, weil ganz unterschiedliche Fragestellungen im Raume stehen. Bei der künstlichen Befruchtung sind es eher ethische Fragestellungen. Dahingegen ist die Abgrenzung natürlicher von synthetischen Diamanten eine Frage des Verbraucherschutzes und fairen Wettbewerbes. Aber wenn ich mich auf für einen Moment auf diesen sehr tendenziösen Vergleich einlasse, dann lautet meine Antwort wie folgt: der Vergleich mit der künstlichen Befruchtung hinkt wie ein Pirat mit Holzbein. Ein menschliches Wesen, welches durch künstliche Befruchtung entsteht ist nicht zu unterscheiden von einem Menschen, der auf natürliche Art und Weise entstanden ist. Ganz anders bei Diamanten. Synthetische Diamanten sind immer klar und deutlich durch ihren strukturellen Aufbau von natürlichen Diamanten zu unterscheiden, auch wenn man dafür ein entsprechendes Prüfgerät benötigt. Und anders als beim Menschen ist der synthetische Diamant schon signifikant weniger wert, sobald er aus der Maschine gefallen ist. Warum? Weil er ein industrielles Massenprodukt ist, im Gegensatz zur endlichen Verfügbarkeit seines natürlichen Counterparts. Das Prinzip von Luxus und Wert im Schmuck funktioniert seit Menschengedenken durch natürliche Verknappung begrenzt verfügbarer und deshalb für den Menschen wertvoller Güter. Der synthetische Diamant, egal wie sie ihn nennen mögen, ist ein identifizierbares, austauschbares und beliebig verfügbares Massenprodukt.
Dünkelmann: Herr Grohmann hat Recht, der Vergleich hinkt. Niemand zweifelt die Errungenschaft der Wissenschaft an. Und anders als beispielsweise in der Gentechnik-Diskussion wollen wir Synthesen ja weder verbieten noch ächten. Ich bin mir aber ganz sicher, dass sämtliche Verbraucherschützer auf unserer Seite sind: Der Kunde muss vor dem Kauf glasklar wissen, wofür er sein Geld ausgibt. Ein die Tatsachen verwässerndes Marketing darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gravierende Unterschiede zwischen den beiden Produkten gibt.
De Beers hat mit Lightbox versucht eine Benchmark bei den Preisen zu setzen und so die Synthesen eher im Modeschmuckbereich zu verorten. Nun hat LVMH bereits mit der TAG Heuer Carrera Plasma eine Luxusuhr (350.000 Franken VK) mit Synthesen in Genf vorgestellt. Wird wahrer Luxus künftig nicht mehr bei Echtmaterialien verortet? In den USA sind Verlobungsringe mit Synthesen auf dem Vormarsch…
Dünkelmann: Es spricht überhaupt nichts dagegen, Schmuck oder Uhren mit synthetischen Diamanten herzustellen, zu bewerben und zu verkaufen. Viele Händler bewerten derzeit die Lagerhaltung mit diesen Produkten noch vorsichtig, weil die Kosten auf Produktionsseite offensichtlich noch starken Schwankungen ausgesetzt sind, in der Tendenz aber deutlich fallen. Wenn sich das einpendelt, kann sich ein stabiler Markt für diese Produkte entwickeln. De Beers bezeichnet die Kategorie für das Segment als „erschwinglich“, was auf den Massenmarkt schließen lässt. Es wird auch interessant sein, wie Swarovsky seine Produktrange mit Synthetischen Diamanten in Zukunft positioniert. Beim Thema Verlobungsringe habe ich aber meine eigene Meinung: Die Liebe des Lebens ist einzigartig, sehr selten und wertvoll – dann sollte es doch auch der Ring sein.
LVMH-Eigentümer Arnault argumentiert, dass man mit dem Produkt die Generation Z ansprechen möchte. Der Synthesenhersteller Lusix, an dem sich LVMH beteiligt hat und die in der TAG Heuer Uhr verarbeitet wurden, wirbt für seine Steine mit Nachhaltigkeitsaspekten. Die Kristalle würden ausschließlich mit Sonnenstrom (sie nennen die Steine Sungrown Diamonds) hergestellt. Auch andere Hersteller werben mit Nachhaltigkeitsaspekten und CO2-Neutralität, zum Beispiel Wasserkraft zur Gewinnung der notwendigen Energie. Kann man da von einer generellen Verbrauchertäuschung sprechen? Schließlich verbraucht die Förderung natürlicher Diamanten auch riesige Ressourcen. Die CO2-Bilanz von Diamanten ist jedoch alles andere als vernachlässigbar, werden sie ja nicht mit Elektrobaggern und -lastwagen sondern Dieselfahrzeugen gefördert. Statistiken zeigen zudem, dass jedes Jahr fast 400 Millionen Tonnen Erde abgegraben, 300 Millionen Liter Wasser verbraucht, fast acht Millionen Kilogramm verschmutzte Luft und Giftgase emittiert und mehr als sieben Millionen Kilogramm Kohlendioxid verbraucht werden – nur um natürlich gewachsene Diamanten aus den Minen zu holen. Eine enorm schädliche Umweltbilanz…oder?
Lindemann: Die Berechnung von CO2-Bilanzen und Landverbrauch bei der Gewinnung von Rohstoffen ist ganz generell mit großen Unsicherheiten behaftet. Hinzu kommt in unserem Falle, dass Diamanten als Rohmaterial für wichtige technische Zwecke benötigt werden und davon nur ein geringer Prozentsatz für Schmuckdiamanten in Frage kommt. Aktuelle Diskussionen bei anderen wichtigen Rohstoffen haben gezeigt, dass die einseitige Betrachtung des Abbaus von Rohstoffen als Profit zu Lasten der Umwelt in die Irre führt. Die Produktion synthetischer Diamanten benötigt eine große Menge an Energie. Einige Hersteller von synthetischen Diamanten wollen sich dadurch positiv abheben, dass sie mit nachhaltiger Energiegewinnung für die Produktion werben und sich von Methoden anderer Hersteller, die dies nicht garantieren können, distanzieren. Die Federal Trade Commission in den USA (FTC), die über den fairen Wettbewerb wacht, hat bereits eine Warnung ausgesprochen, dass die generelle Behauptung der nachhaltigen und Ressourcen schonenden Produktion wettbewerbswidrig ist, wenn diese nicht im Einzelfall konkret belegt werden kann und hat diesbezüglich Warnungen an verschiedene Marken bzw. Hersteller verschickt. Im Rahmen dieser Warnungen hat die FTC darüber hinaus ihre Bedenken dahingehend geäußert, dass bestimmte Marken ihre Produkte nicht klar genug als im Labor hergestellte Diamanten (laboratory created) gekennzeichnet haben.
Ein weiteres Diskussionsthema ist die Ethik. Die einen meinen, Diamanten tun viel Gutes, zum Beispiel sorgen für Wohlstand, Bildung und Gesundheitswesen in Botswana und anderen Abbauländern. Die anderen monieren, dass zum Beispiel immer noch Diamanten aus Russland gehandelt werden und damit der Krieg in der Ukraine finanziert würde?
Lindemann: Es ist unbestritten so, dass die Diamantindustrie seit Generationen Millionen Menschen und deren Familien in der Welt ernährt, zu Wohlstand und zu überaus positiven Impulsen und Effekten in den Rohsteinländern geführt hat.
Die Diamant- und Edelsteinbörse in Idar-Oberstein hat bereits im Jahre 2004 federführend dafür gesorgt, dass der Kimberley-Prozess in Deutschland mit einer eigens dafür errichteten Zollbehörde vor Ort implementiert wurde, um zu verhindern, dass Rohdiamanten aus sog. Konfliktländern hierher importiert werden können, wobei es sich hierbei ohnehin nur um 0,2% der Weltproduktion handelt. Die Situation in Russland wird bereits in vielfältiger Weise von Sanktionen begleitet.
Man muss sich aber fragen, wo das Thema Ethik beginnt und wo es aufhört. Sie können jede Industrie in einem kriegführenden Land unter der Generalverdacht der Kriegsfinanzierung stellen, was – um eine interessante Story zu liefern – ja auch von manchen Journalisten in der Vergangenheit so praktiziert wurde. Und selbst wenn man die Einfuhr bestimmter Produkte verbietet, finden sich schnell andere Länder, die diese Sanktionen unterlaufen und die geächteten Waren letztendlich doch über Umwege in die boykottierenden Staaten gelangen. Dies ist leider ein Dilemma und Problem, was fast nicht in den Griff zu kriegen ist und was noch dadurch verschärft wird, dass eine sichere Herkunftsbestimmung bei bereits geschliffenen Diamanten nahezu unmöglich ist. Dieser Tatsache müssen wir ins Auge sehen.
Grohmann: Anders als beim etablierten Kimberly-Prozess wird bei der Russlandproblematik inzwischen auch eine Art Greenwashing betrieben. Einige wenige Anbieter größerer Steine werben damit, keine Steine aus Russland anzubieten. Dabei ist dem ganzen Markt bewusst, dass von Alrosa vorwiegend Material für Kleinware kommt, welche über die Vertriebswege China, Indien, Israel und Dubai in den Markt kommen. Solange diese Länder sich nicht an einem Embargo beteiligen, kann so gut wie kein Marktteilnehmer nachvollziehen, ob die Rohware von Alrosa kam oder nicht. Daraus ein positives Argument für die Synthesen zu machen ist jedoch ebenfalls problematisch, wenn man sich anschaut, wo große Teile der synthetischen Diamanten produziert werden.
Was hat Sie zu der Pressemitteilung mit dem Aufruf letztlich motiviert? Wo sehen Sie hier die Hauptprobleme?
Grohmann: Es geht darum, die gesamte Branche immer wieder über die seit Jahren festgelegten Spielregeln aufzuklären. Es muss jedem klar sein, dass es zwingend notwendig ist, den Endverbraucher darüber zu informieren, dass er beim Kauf eines synthetischen Diamanten wertmäßig nicht dasselbe erwirbt, wie wenn er sich für einen natürlichen Stein entscheidet. Sollten wir in den nächsten Jahren in eine Situation kommen, in der sich Endverbraucher über den Tisch gezogen fühlen, weil sie beim Kauf eines synthetischen Diamanten eine Wertbeständigkeit suggeriert bekommen haben, die sich als falsch herausstellt, dann fällt dieses negative Erlebnis auf die gesamte Branche zurück. Und wir Verbände werden nicht müde werden, alle Markteilnehmer über diese Konsequenzen aufzuklären, deshalb haben wir uns ja seit Jahren weltweit auf Regeln geeinigt, an die sich alle zu halten haben. Sollte jemand dagegen verstoßen und wir bekommen Kenntnis davon, werden wir uns zum Schutz der Branche zu wehren wissen.
Es gibt ja auch regelmäßig Auseinandersetzungen über die richtige Terminologie. Warum sind alle Begriffe jenseits von Laboratory Grown oder synthetische Diamanten als problematisch abzulehnen? Obliegt es nicht der Verantwortung des Juweliers, hier beim Verkaufsgespräch für Klarheit und Wahrheit zu sorgen?
Dünkelmann: Es geht um Klarheit in der Kundenansprache auf allen Kanälen. Wenn die Werbung falsche Erwartungen schürt, schadet das nicht nur der Branche, sondern auch den Kunden. Seltenheit, Alter und Einzigartigkeit machen den Wert eines Diamanten aus. Nicht die chemische Formel oder die physikalischen Eigenschaften. Zu behaupten, ein Diamant und eine künstlich im Labor erzeugte Synthese seien ein und dasselbe ist vollkommen absurd und führt den Kunden in die Irre. Deswegen gibt es Spielregeln, an die sich jeder halten muss. Wir Verbände verfolgen mit Aufklärung und auch juristischen Mitteln seit Jahren das Ziel, das das so bleibt.
Quelle
GZ – Goldschmiedezeitung 08/22.